ZEN - BLOG

Donnerstag, 24. Dezember 2009

Die gläserne Wand oder:

Heute schauen wir uns eine Leiche an

Sie hat mich raus aufs Land gefahren,
ohne mir ein Ziel zu nennen.
Und als wir ankamen, nahe einer kleinen Gruft,
sagte sie zu mir: „Heute schauen wir uns eine Leiche an.“

Es war die Mumie eines geilen Mörders,
der da lag und seit 300 Jahren mit einer Fakirtechnik
Neugierige zum Staunen brachte.

Die Landstraßen wurden von Kreuzen gesäumt;
Tote überall, wie das Wild auf dem Asphalt,
das dort mit 90 km/h verblutete.
Ein toter Fuchs blickte mir sogar direkt ins Gesicht
und stieß einen gellend stummen Schrei aus.

Doch ich, ich sah nur sie, überall, nah und fern,
rechts und links, neben über unter mir,
so schön und sanft, so stark und zart,
so klug und gütig, so lustig und traurig zugleich
und stolz wie eine richtige Dame,
die man erst erobert, wenn man ihr zu Füßen liegt –
und das wollte ich tun, denn sie sollte mein sein…

Und sie lockte mich lächelnd immerzu:
„Komm näher, komm!“
Und ich glaubte sie bereits zu spüren,
so zahm und wild zugleich,
doch ich stieß auf eine gläserne Wand,
die nirgendwo Anfang noch Ende hatte.

Und in der Luft schwebte seltsam sphärische Musik,
die ihre Worte trug: "Heute schauen wir uns eine Leiche an."

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