Lied eines Gelegenheitsfliegers
Wieder ziehen Zugvögel an erdehnter LeineWie - Durch klirrende Nacht
Unbeirrbar
Glühend vor Sehnsucht und Glaubeglimmend zu landen
Wählen die Flugbahn
zwischen Traum und Wirklichkeit
Oh, unwiderruflich - Ein Beweis des Seins
Wider gesellschaftlicher Entmündigung
Beschreiten
den Erschwerten, erlebnisreichen Weg
zur Selbstfindung
Verstoßen aus dem engen Nest
Vereinzelt folgen
Phantasien, Schreie, Tränen,
Steine
und gelegentlich ein ausgemergelt Federvieh
Es mahnt:
Vieldeutiger Fingerzeig
Das Schweigen
und der verfangenen Klagesang
1985-11-15 gotha
autorin: johanna zentgraf
Entfernungsüberwindung
gleich oder ungleich
vertane Zeit
Zugverspätung - Anschluß verpasst ...
Unplanmäßig streift der Blick
durch die Stadt der Dekorationen und Lichter
Bevor der zweitmögliche Versuch,
die große "Zerrissene" zu erreichen, beginnt
Rhythmisches Rattern unterstreicht
die monotone Stimmlosigkeit im Abteil
Nur Augen sprechen:
von Unansprechbarkeit
und individuellem Requiem
Mein Wille:
Nichts zu versäumen und nicht verloren zu gehen
ringt mit der Müdigkeit
Ruhe
nach oder vor Stürmen
strahlen die Fremden, nicht Unbekannten,
unwiederbringlich zusammengewürfelten Mitreisenden aus
Nach mir selbst suchend
sehe ich
-Den jungen Mann bewegungslos in die Tiefe der Dunkelheit starren
-Die Frau, ihm gegenüber,
krampft wohlgeordnet in der Ecke - gleichsam die Sittsamkeit verkündend
-Das langhaarige Mädchen, in gefärbter Kleidung,
liegt friedlich ausgestreckt auf einer Zweierbank.
Ein kleines Plüschtier in ihrer Hand wacht über ihre Unschuld
Ihr Dach ist noch das Himmelszelt
Ich verliere mich in mir und bin
Bestimmte Zeit vergeht
Beim Quietschen erst wird Schweigen zu Bewegung
Am Ziele lernen Bilder laufen
Zufälligkeiten zerfallen in Neue
Gedanken müssen zurück in Körperhaft
Ureigenster Rhythmus bestimmt jedermanns Fortgang
1985-11-27
zugfahrt von gotha nach berlin
autorin: johanna zentgraf