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Sonntag, 13. September 2009

Acht – Zwei – Neun

Hab ich irgendwo schon mal erwähnt, dass Praskowja das wunderbarste Geschöpf ist, dem ich je begegnet bin? Nein? Na, dann wird es aber Zeit: Praskowja ist das wunderbarste Geschöpf, dem ich je begegnet bin.

Wie sie sich über den Billardtisch beugt und vollkommen gelassen und mit russischer Geschicklichkeit eine Kugel nach der anderen versenkt. Ich bin so glücklich und stolz, sie zu kennen und mit ihr hier und jetzt in dieser Bar zu sein. Ich sehe ihrem Treiben zu, wie einem schönen und verführerischen Werbeclip. Sie ist so schön und anmutig, klug und geschickt. Eine Dame in Bluejeans.

Sie trägt den weißen Mohairpulli, wie zu unserem ersten Treffen. Und sie versenkt gerade die Acht und lacht. Sie freut sich. Ich freu mich. Ich lächle sie an. Sie lächelt zurück. Mein Blick schweift in die Ewigkeit, getragen ganz allein von diesem süßen Lächeln in ihrem wunderschönen Gesicht. Ein Gesicht wie reifer Wein, süßer goldener georgischer Wein.

Sie schaut mich direkt an, beugt sich über den Tisch und stößt den Qeue blitzschnell und sicher auf die weiße Kugel und versenkt damit die Zwei. Ich werde heute wohl nicht mehr zum Zuge kommen. Praskowja spielt diese Partie allein. Ich schaue ihr zu. Wohlig warm wie süßer goldener georgischer Wein strömt das Glück der Liebe durch mich hindurch und bindet mich an diesen Augenblick als nagele es mich an ein Kreuz.

„Ich liebe dich“, sage ich zu Praskowja. „Ich liebe dich.“

Für einen Augenblick hält sie inne und schaut mich an wie einen Fremden, der sich ihr aus der Ferne nähert. „Ich glaube nicht an die Liebe, Kolja.“

„Wieso?! Was stimmt damit nicht?! Ist das wieder so ein Sowjet-Ding, das ich nicht verstehe?“

„Du bist sowjetskij, Nikolai! – Es gibt keine Liebe. Das ist alles, was ich sage. Liebe ist eine Erfindung westlicher Romantiker. Eine Stimmung gemalt in traurig schöne Farben, schon vor zweihundert Jahren oder mehr. Und vielleicht steht davon sogar in einem Buch. Aber in Wirklichkeit, mein lieber Kolja, gibt es die Liebe nicht.“

„Und was ist dann das, was ich für Dich empfinde?“

„Woher soll ich das wissen?“ Praskowja meint es ernst, und sie erleuchtet mich noch in diesem Augenblick. „Vielleicht bist Du verliebt, Kolja. Das passiert schon manchmal. Das wird wieder vorbei sein. – Liebe ist vielleicht, wenn ich mich um meine Mutti kümmere. So wie der Jesus mal gesagt hat: ‚Nun geht doch und liebt euch.’ Aber der meint nicht ‚Amore’, der meint ‚caritas’, verstehst Du den Unterschied, Kolja?“

Und ja, ich verstehe, während Praskowja die Neun versenkt.

Ein Engel der Liebe kreuzt meine kosmische Bahn und ich lasse mich hautnah auf diese Begegnung ein. Und das Licht seiner göttlichen Aura, das ich durch ihn in meinem Herzen trage, lässt mich die Worte finden: Praskowja ist das wunderbarste Geschöpf, dem ich je begegnet bin.

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